Atleticos Trainer Diego Simeone stand kurz vor Schluss kopfschüttelnd am Spielfeldrand und verstand wohl selbst nicht, was seine Schützlinge an diesem eigentlich so wichtigen Abend dargeboten hatten. Am Ende schlich der exzentrische Coach wie bereits bekannt ohne Handschlag mit seinem Kollegen in den Kabinentrakt.
Jener Kollege, Milan-Trainer Stefano Pioli, hatte so direkt Zeit für etwas Besseres: den verdienten Sieg seiner Mannschaft in Madrid gebührend zu feiern - und vor allem Joker Junior Messias zu feiern.
Denn der spät eingewechselte 30-jährige Brasilianer, der viel Zeit im Amateurfußball verbracht und erst 2019 von Italiens Klub Crotone die Chance auf größerer Ebene erhalten. Der seit 2021 an Milan ausgeliehene technisch versierte Offensivmann lauerte dann in Minute 87 nach perfekter Kessié-Flanke am rechten Fleck und nickte ohne Gegenwehr aus nächster Nähe gegen Oblak zum Sieg ein.
Milan ist noch am Leben
Verdient war der Sieg deshalb, weil die Gäste aus Italien das gesamte Spiel über den Ton angaben, schlichtweg mehr Fußball zelebrierten und auch offensiv zu einigen guten Chancen kamen. Diese blieben aber bis zum späten 1:0 allesamt ungenutzt, weil entweder Oblak parierte (86. gegen Ibrahimovic), Savic blockte (72. in höchster Not gegen Bakayoko) oder der agile Brahim Diaz verzog (7.).
Von den heimischen Colchoneros, die jüngst in La Liga mit dem knappen 1:0 über Osasuna noch den Platz in der Spitzengruppe gefestigt hatten, war derweil nur Ideenlosigkeit zu erkennen. Angriffe versandeten stets, große Namen wie Suarez oder Griezmann standen komplett neben sich und wurden spät auch ausgewechselt. Lediglich de Paul, im Sommer aus Italien von Udinese Calcio verpflichtet, hatte ein paar gute Abschlüsse und scheiterte mit seiner besten Möglichkeit gleich zu Beginn an einer tollen Tat von Milan-Keeper Tatarusanu (3.). Kurz vor Spielschluss ergab sich außerdem noch eine Chance für den eingewechselten Ex-Herthaner Matheus Cunha, der jedoch vergab (90.+1).
Was vor allem fatal an diesem Auftritt der Madrilenen war: Eine Niederlage durfte sich Atleti überhaupt nicht erlauben im Kampf ums Achtelfinale, während die Mailänder (in der Serie A zuletzt mit 3:4 in Florenz erstmals geschlagen) nun mit dem ersten Dreier in dieser Gruppenphase wieder hoffen dürfen. Mit vier Punkten auf der Habenseite reicht ein Heimsieg am 7. Dezember (21 Uhr) gegen den bereits als Gruppensieger feststehenden FC Liverpool (volle 15 Zähler), um zumindest die Europa-League-Überwinterung zu sichern. Atletico (vier Punkte) gastiert dann zur gleichen Zeit beim FC Porto (fünf).
Doch zunächst: Atletico muss am Sonntag (18.30 Uhr) in La Liga nach Cadiz. Milan hingegen empfängt kurz zuvor (15 Uhr) gegen Sassuolo.