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NFL: Die Rivalität der San Francisco 49ers und Dallas Cowboys

Die große Rivalität zwischen San Francisco und Dallas

Von "Überfällen" und dem "Non-Call" schlechthin: Als 49ers und Cowboys die NFL regierten

Prägten die NFL in den 80er und 90er Jahren: Die San Francisco 49ers (li.) und die Dallas Cowboys.

Prägten die NFL in den 80er und 90er Jahren: Die San Francisco 49ers (li.) und die Dallas Cowboys. Getty Images (2)

1989 verabschiedete sich das wohl spektakulärste Jahrzehnt der jüngeren Vergangenheit mit einem Feuerwerk. Michael Jacksons "Bad World Tour" brach sämtliche Tournee-Rekorde, in Deutschland fiel die Mauer und die San Francisco 49ers produzierten die für nicht wenige Experten vielleicht beste Mannschaft, die die NFL je gesehen hat. Großes Staunen war überall garantiert.

Wie ein abgehalftertes Konzertgelände nach der großen Show oder niedergerissene Reste der innerdeutschen Grenze kamen in der größten Football-Liga der Welt hingegen die Dallas Cowboys daher. Sie waren wirklich das letzte Team, um das sich die 49ers damals sorgen mussten. Aber man kannte sich.

"America's Team"

1972, in der Divisional Round, hatten die Cowboys die Niners im dritten Jahr in Folge aus den Play-offs geworfen, das Comeback von Quarterback Roger Staubach legte den Grundstein für das populärste Franchise der 1970er Jahre: "America's Team". Unter diesem Rufnamen wird Dallas seither geliebt - und wahrscheinlich noch mehr gehasst.

Als 1981 die nächste Dekade anbrach, kreuzten sich die Wege der Rivalen, die nicht einmal in der gleichen Division beheimatet sind, erneut. "The Catch", Joe Montanas legendärer Touchdown-Pass auf Dwight Clark, bedeutete gewissermaßen die Wachablösung im Scheinwerferlicht. Mit Trainer-Genie Bill Walsh und der "West Coast Offense" wurde in San Francisco das populärste Franchise der 1980er Jahre geboren. Mit dem Schlussakkord als Höhepunkt. Doch im Erfolg macht man Fehler.

Die Niners waren damals Hollywood. Der gehobene Standard. Auf fast jeder Position spielten Stars, die sich im Training vornehm zurückhielten, um ihren eleganten und nachhaltigen Stil zu gewährleisten - während sich bei ihren Spielen die großen Namen der Popkultur auf den Tribünen tummelten, weil Niners-Events in dieser Zeit eben der heißeste Scheiß waren. Die Sonne über San Francisco schien daher warm genug, als dass unnötige Reibung hätte zusätzliche Wärme erzeugen müssen.

Steve Young, Joe Montana

Im Schatten der Legende: Die Niners-Quarterbacks Steve Young (li.) und Joe Montana. Focus on Sport via Getty Images

San Francisco schenkt den Chef seiner Defense her

Charles Haley brachte allerdings unnötige Reibung rein. Der überragende Pass Rusher hatte mitunter eine kurze Zündschnur und geriet immer wieder mit Mitspielern, Trainern oder Verantwortlichen aneinander, die sich relativ schmerzlos dafür entschieden, den Störenfried förmlich herzuschenken. Aufgrund der Nebengeräusche blieb schlussendlich nur ein einziger Interessent übrig: die Dallas Cowboys. Gerade einmal einen Zweit- und einen Drittrunden-Pick musste "America's team" für Haley hinlegen - dieser Deal war beinahe ein Überfall.

Mit Überfällen kannten sich die Cowboys aus. Als "Great Trade Robbery", in Anlehnung an den vielleicht berühmtesten Bahn-Überfall der USA, ging der Deal mit den Minnesota Vikings in die NFL-Geschichte ein, durch den das schlechteste Team der Liga 1989 seinen besten Spieler, Running Back Herschel Walker, abgab, um im Gegenzug etliche Draft-Picks zu erhalten.

Ein paar Monate zuvor hatte der Öl-Unternehmer Jerry Jones die Cowboys gekauft und mit der Entlassung des bis dato einzigen Head Coaches der Franchise-Geschichte, Tom Landry, direkt mal ein wagemutiges Zeichen gesetzt. Stattdessen installierte Jones seinen ehemaligen College-Kumpel Jimmy Johnson als Trainer. Der Walker-Trade passte ins Bild, weil beides zunächst als hirnrissig abgestempelt wurde. Als 1991 dann Haley kam, fand dieser bereits ganz andere Cowboys vor.

In drei Jahren wurden die Cowboys zum Superteam

Der Plan mit dem Neuaufbau war komplett aufgegangen, weil Dallas mit dem ersten Pick 1989 in Troy Aikman nicht nur einen Franchise-Quarterback draften, sondern mit diversen anderen Picks in den Folgejahren weitere Glücksgriffe landen sollte. Im NFC Championship Game 1992 standen den vermeintlich übermächtigen 49ers plötzlich Aikman, der künftige All-Time-Rushing-Leader Emmitt Smith, Star-Receiver Michael Irwin, eine herausragende O-Line sowie die beste Defense der NFL gegenüber. Angeführt von Haley, den die Niners mal eben verscherbelt hatten. San Franciscos Jahrhundert-Receiver Jerry Rice schmunzelte rückblickend: "Das war der schlechteste Trade aller Zeiten".

Haley änderte die Art und Weise, wie wir Football spielten.

Cowboys-Running-Back Emmitt Smith

In San Francisco hatte sich seit 1989 auch etwas getan. Quarterback-Ikone Joe Montana hatte sich verletzt und sollte nie wieder im Niners-Trikot auflaufen, die zu lässige Herangehensweise hatte das Superteam angreifbar gemacht - und dessen Superspieler waren teilweise in die Jahre oder andernorts untergekommen. Etwa als Herzstück der Defense beim Rivalen aus Dallas. "Haley änderte die Art und Weise, wie wir Football spielten", schwärmte Smith. Aikman begann mit Haleys Verpflichtung daran zu glauben, "mit den Niners mithalten zu können".

Jerry Jones, Jimmy Johnson

Das Erfolgsduo der Dallas Cowboys: Besitzer Jerry Jones (li.) und Trainer Jimmy Johnson. Getty Images

Nur drei Jahre nachdem beide Teams noch die Gegensätze der Liga gebildet hatten, wies Dallas San Francisco im NFC Championship Game in die Schranken und krönte sich im Super Bowl gegen Buffalo mit einem 52:17-Ausrufezeichen zum Meister. Während Steve Young bei den Niners versuchte, in Montanas Fußstapfen zu treten, schwangen sich die Cowboys zum Franchise der 90er auf.

Jones wirft Johnson raus - Die Niners haben nur ein Ziel

Wenn manche das noch für einen Ausrutscher gehalten hatten, waren auch die letzten Zweifel ein Jahr später ausgeräumt. Im Championship Game 1993 bezwang Dallas San Francisco erneut - inklusive verteidigtem Super-Bowl-Titel. Die Machtverhältnisse waren wirklich gekippt. Das brachte einiges in Bewegung.

Es war eine 'Gewinnen um jeden Preis'-Mentalität.

Niners-Besitzer Eddie DeBartolo junior

Während in Dallas Besitzer Jones beweisen wollte, dass er auch ohne den extrovertierten Head Coach Johnson gewinnen konnte und diesen kurzerhand rauswarf, bastelten in der Bay Area die frustrierten Besitzer Eddie DeBartolo junior und General Manager Carmen Policy an einem Team, das genau einen Auftrag hatte: Dallas besiegen. Dafür nutzten die Niners die 1993 eingeführte Unrestricted Free Agency aus und vollführten in Sachen Salary Cap einen Drahtseilakt.

San Francisco rüstete, angepasst an die wuchtige Offensive der Cowboys, seine Defense nicht einfach nur auf. Die 49ers verpflichteten auch Deion Sanders. "Prime Time", so Sanders' geläufigster Spitzname, gilt noch heute als bester Cornerback überhaupt, zu seinen besten Zeiten warf kaum mal ein Quarterback auf die Seite, die der pfeilschnelle Showman verteidigte. Der Königstransfer. "Es war eine 'Gewinnen um jeden Preis'-Mentalität", erinnert sich DeBartolo.

Und diesmal schnappten sich die Niners einen Leistungsträger aus Dallas: Linebacker Ken Norton junior wechselte die Fronten. Während Quarterback Young allmählich in Montanas Fußstapfen passte, schaukelte sich das dritte NFC Championship Game der beiden besten Teams der NFL zu einem Showdown hoch, den "Fox"-Kommentator Pat Summerall als "Super Bowl und Pro Bowl zusammen" bezeichnete.

Der Showdown mit großer Kontroverse

Am 15. Januar 1995 standen im Candlestick Park zu San Francisco unzählige Ausnahmespieler auf dem Rasen, die sich in diesen Jahren aufgrund der zunehmenden Antipathie schon mal auch vor dem Kick-off an die Gurgel gingen. Selbst ein so besonnener Sportsmann wie Jerry Rice verlor da die Beherrschung.

Deion Sanders, Michael Irvin

Pass Interference oder nicht? Deion Sanders (li.) und die legendäre Szene mit Michael Irvin. AFP via Getty Images

Der Showdown hielt, was er versprochen hatte. Zwar gingen die Niners früh mit 21:0 in Führung, doch mit der Zeit kamen die unvermeidlichen Cowboys zurück. Beim Stand von 28:38 aus Dallas-Sicht, und an folgender Szene werden sich die Geister für immer scheiden, schleuderte Aikman den Football an die linke Außenlinie auf seinen Star-Receiver Irvin. Sanders' Seite. San Franciscos Unterschiedsspieler brachte Irvin mit dem Arm vor dessen Brust entscheidend aus dem Konzept - Pass Interference? Sanders hatte clever in Richtung Ball geschaut, die Flaggen blieben stecken. Der anschließende Super Bowl war für die NFC-Giganten in dieser Zeit nur noch Formsache.

Young und die Niners waren wieder ganz oben, für ihre Rückkehr auf den NFL-Thron hatten sie allerdings hoch gepokert. Etwa bei Sanders, der sich ohne die ganz große Bezahlung für ein Jahr hatte überreden lassen. Er hatte mit San Francisco unbedingt Dallas überflügeln wollen, und diese Mission war nun abgeschlossen. Jetzt war Zahltag. Und einer machte die Geldbörse ganz weit auf.

Wer Sanders holt, holt auch den Super Bowl - Anschließend jubeln andere

Ausgerechnet Cowboys-Owner Jones bot Sanders einen Vertrag an, den sich "Prime Time" nicht entgehen lassen konnte (35 Millionen Dollar für sieben Jahre). Nach einem Jahr in San Francisco spielte der Superstar, mit dessen Verpflichtung man damals quasi auch den Titel holte, nun für Dallas, das auch ohne erneuten Showdown mit den Niners zurückschlug und den dritten Super Bowl in vier Jahren gewann. Den bis heute letzten, den sich "America's team" in die Vitrine stellen durfte.

Denn anschließend ging es für Cowboys und Niners bergab, die Franchises der 2000er und 2010er Jahre wurden andere. Nach über zweieinhalb Jahrzehnten kam es erst 2022, in der Wild Card Round (23:17 für San Francisco, das den Super Bowl verpasste), zu einem erneuten Aufeinandertreffen der einstigen Rivalen in der Postseason. Wie in den 90ern hatte sich das aber nicht angefühlt.

In diesem Jahr allerdings ist endlich mal wieder beiden Teams einiges zuzutrauen. Und mit Jones ist ein Relikt von damals ja immer noch dabei. Vielleicht ist es jetzt an der Zeit, einer ganz besonderen Rivalität ein neues Kapitel zu verpassen. 

Niklas Baumgart

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