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DFB-Analyst Alexander Otto: Zwischen WM und Oberliga

Mittelrheinliga

DFB-Analyst Alexander Otto: Zwischen WM und Oberliga

Alexander Otto (37) übernahm Anfang 2018 den BC Viktoria Glesch-Paffendorf und stieg zweieinhalb Spielzeiten später in die Mittelrheinliga auf. Dort überwintert er mit seinem Team im Tabellenmittelfeld.  

Alexander Otto (37) übernahm Anfang 2018 den BC Viktoria Glesch-Paffendorf und stieg zweieinhalb Spielzeiten später in die Mittelrheinliga auf. Dort überwintert er mit seinem Team im Tabellenmittelfeld.   imago images/Herbert Bucco

Herr Otto, was sind die Stärken des 1. FC Düren?

Alexander Otto: Schöner Einstieg (lacht). Das ist wohl die individuelle Qualität, die ist beim 1. FC Düren natürlich auf einem anderen Level als bei den restlichen Mannschaften der Liga.

Ich frage deshalb, weil Sie einerseits Cheftrainer in der Mittelrheinliga sind, wo der 1. FC Düren die Tabelle anführt, andererseits aber hauptberuflich Projektleiter des DFB-Analyseteams ("Spielanalyse-Team Köln") an der Sporthochschule in Köln sind. Was genau machen Sie da?

Wir bilden Analysten aus. Das ist ein Studiengang über zwei Jahre. Und in dieser Ausbildung ist der Höhepunkt die ganz praktische Unterstützung der A-Nationalmannschaft bei den großen Turnieren. 

Sie analysieren also, wie bei der WM gegen den jeweils nächsten Gegner gespielt werden sollte?

Wir liefern unsere Daten, die Hauptarbeit aber liegt natürlich beim DFB-Team. Wir sind ein unterstützender Faktor für Dr. Stephan Nopp (Spielanalyst beim DFB, Anm. d Red.).

Was bedeutet Analyse genau? Können Sie uns ein wenig Einblick in die Systematik dahinter geben?

Die Spielanalyse in Deutschland ist ja über den Lehmann-Zettel bei der WM 2006 groß geworden und gewachsen. Es gibt verschiedene Analysebereiche, unter anderem Einzelspieleranalysen, Mannschaftsanalysen und Standardsituationsanalysen. Zudem gibt es verschiedene Analyse-Tools. Es stellt sich grundsätzlich immer die Frage: Welche Informationen sind in welchen Situationen relevant?

Können Sie nach getaner Arbeit am TV-Bildschirm auch feststellen, ob diese auch tatsächlich eingeflossen ist?

Es gibt offensichtliche Aspekte, wie Verhaltensweisen von Einzelspielern oder das Verhalten in den taktischen Systemen, die sich sehr gut erkennen lassen. Bei spezifischeren Analysen im Bereich der Gegnervorbereitung schafft man unter Umständen, dass die Stärke des Gegners nicht zum Tragen kommt - und damit würde man nur die Konsequenz aus der Analyse erkennen.

Weil es ja ein Thema ist, das im Hintergrund immer wabert: Welche Rolle spielt Künstliche Intelligenz (KI) aktuell in der Ausbildung?

Das ist natürlich ein hochspannendes Thema. Das Problem beim Fußball ist, dass es ein unglaublich komplexes Spiel ist. Der Prozess der Entwicklung der KI dauert noch ein bisschen. In unserer Ausbildung findet das aktuell noch keine Anwendung. Wir lehren in der qualitativen Analyse - die quantitative spielt natürlich immer wieder mit hinein.

Nehmen wir mal eine thematische Abzweigung: Wie wichtig ist Gegneranalyse in der Oberliga?

Für mich persönlich ist sie sehr wichtig. Das erste, was ich gemacht habe, als ich in Glesch angefangen habe: Wir haben ein neues Kamerasystem gekauft, weil wir natürlich nutzen wollen, was wir hier an Kompetenzen aufbauen.

Dieses verbreitete System, das gerne mal vor dem Torschuss abschwenkt, um die Taube im verwaisten Strafraum gegenüber zu filmen?

Nein, wir arbeiten mit einem System, bei dem es auch die Möglichkeit gibt, den kompletten Platz zu sehen. Es ist viel wichtiger für uns, nicht nur das mitzubekommen, was Ball-nah passiert.

Wie tief geht die Analyse? Gehen Sie da anders ran, als wenn Sie Nationalmannschaften analysieren?

Man muss das Ganze natürlich auf Oberliga runterbrechen. Wir machen allerdings sowohl Spielnachbetrachtungen als auch Spielvorbereitung, weil das meiner Meinung nach wichtige Informationen für den mannschaftstaktischen Bereich sind, mit denen man individuell stärkere Teams ärgern kann. Da gehen wir genauso ran.

Man hat den Eindruck: Je weiter man in den Ligen nach unten geht, desto größer werden Faktoren wie Zufall oder individuelle Klasse. Wie sehen Sie das?

Ich glaube schon auch, dass etwa der Faktor individuelle Qualität in der Oberliga ein ganz großer ist. Das sieht man bei uns in der Liga ebenso. Aber ich glaube auch: Je höher die individuelle Qualität ist, desto besser kann man taktisch mit den Spielern arbeiten.

Wenn Sie auf Ihre Trainerkollegen schauen: Wird in der Mittelrheinliga taktisch detailliert gearbeitet?

(überlegt) Das kann ich nicht wirklich beurteilen.

Ein guter Analyst ist ja nicht unbedingt ein guter Trainer. Was ist der wichtigste Skill, den man nicht am Bildschirm lernen kann?

Die Menschenführung ist das A und O für einen guten Trainer. Und da ist es auch egal, welche taktischen Qualitäten man liefern kann, wenn man das ganze den Spielern mit seinen sozialen Fähigkeiten nicht übermittelt bekommt. Dann bringt das rein gar nichts.

Sind Sie selbst ein guter Trainer?

Das müssen andere beurteilen. Mir macht es auf jeden Fall sehr viel Spaß. Und wenn man sieht, wo ich mit Glesch gestartet bin - als Tabellenletzter in der Landesliga - und jetzt spielen wir eine gute Rolle in der Oberliga, dann würde ich das rein datenbasiert erst mal so sehen.

Und wo sehen Sie selbst Ihre Zukunft? In erster Reihe oder als Datenanalyst im erweiterten Kreis dahinter?

Das sind zwei unterschiedliche Aspekte: Die Zuarbeit im Analysebereich auf der einen Seite, das In-der-ersten-Reihe-stehen auf der anderen Seite, das ergänzt sich aber ganz gut. Mal sehen, wohin die Reise geht.

Alexander Otto (37)

Alexander Otto (37) bei einem Spiel seiner Viktoria Glesch. imago images/Herbert Bucco

Alexander Otto (37), geboren in Nienburg, war in der Jugend selbst Verbandsliga-Spieler. Der Inhaber der A-Lizenz ist seit Januar 2018 Trainer des BC Viktoria Glesch-Paffendorf. Otto ist verheiratet, hat drei Kinder und wohnt im Kreis Köln. 

Jan Mauer